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Editorial: Soziale Innovation im Parlament

24. Nov 2014

im November von Klaus Schuch, ZSI

15_editorial.jpg Am 16. November 2014 wurde ein Entschließungsantrag über Rahmenbedingungen für soziale Innovationen von den Grünen im Parlament eingebracht. Im Antrag ist zu lesen, dass „Soziale Innovationen […] ein wesentlicher Baustein zur Bewältigung der großen Herausforderungen wie Klimawandel, sichere Energieversorgung, demografische Entwicklung, Umweltschutz sowie Gesundheitsversorgung [sind] und […] zunehmend an Bedeutung [gewinnen].“ Dabei wird auf den breiten Innovationsansatz der österreichischen Forschungs-, Technologie- und Innovationsstrategie verwiesen, "der technologische, forschungsgetriebene und nicht-technologische Innovationen sowohl in der Sachgüterproduktion als auch im Dienstleistungssektor ebenso einschließt wie ökologische und soziale Innovationen oder Innovationen im öffentlichen Bereich“.

Obwohl der Themenkomplex „soziale Innovation“ auf programmatischer Ebene auch in Österreich in der Forschungs- und Technologiepolitik anzukommen scheint, ist festzuhalten, dass es bis dato kein Forschungsförderungsprogramm gibt, das sich explizit mit sozialer Innovation auseinandersetzt, bzw. soziale Innovationsforschung explizit befördert.

Dem könnte jedoch mit ein wenig gutem Willen und überschaubaren finanziellen Mitteln Abhilfe geleistet werden. Folgend möchte ich einige Ansatzmöglichkeiten ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Alleinanspruch vorstellen:

  1. Der Mainstreaming-Ansatz beruht auf einer ex-ante Miteinbeziehung von Aspekten sozialer Innovation (z.B. Inklusion, soziale Akzeptanz) in die vorherrschende technisch ausgerichtete FTI-Interventionslogik, weil jede (technologische) Innovation auch sozial relevant ist und positive oder auch negative Wirkungen auf soziale Prozesse bzw. die Gesellschaft hat. Wenige FTI-Programme wie „benefit“ (ambient assisted living) haben diesen Aspekt bis dato berücksichtigt. Themenfelder für diesen breiten Innovationsansatz würden sich mehrere anbieten, z.B. Mobilität; Gesundheit; Umwelt; Klimawandel und entsprechende Anpassungsstrategien; Migration und Integration; alternde Gesellschaft etc. Ein Mainstreaming-Ansatz müsste aber auch zusätzliche Rahmenbedingungen modifizieren, z.B. in Bezug auf die Zusammensetzung der Jurys oder in Bezug auf höhere Fördersätze für die per Definition nicht kommerzielle gemeinnützige sozialwissenschaftliche Forschung, die nicht staatlich basissubventioniert ist.
  2. Ein zweiter Ansatz wäre die Konzipierung eines breit angelegten österreichischen „Innovationforschungsprogramms“, in dem u.a. soziale Innovationsforschung als Untersuchungsgebiet verankert sein sollte. Österreich hat (seit Joseph Schumpeter) zwar ausgezeichnete Innovationsforscherinnen und –forscher, aber kein Innovationsforschungsprogramm, das auftragsunabhängige, kritische Innovationsforschung sowie methodische Weiterentwicklung in diesem Bereich ermöglicht. Ein solches Innovationsforschungsprogramm sollte auch Aspekte einschließen, die für den Unternehmenssektor (z.B. „workplace innovation“, „user-centred design“), den zivilgesellschaftlichen Sektor (z.B. „social entrepreneurship“) sowie den öffentlichen Sektor (z.B. „public sector innovation“; „Bürgerpartizipation“, „social experimentation“) relevant sind.
  3. Ein dritter Ansatz wäre die Programmierung eines inter- und transdisziplinären Forschungsprogramms „sozialer Wandel und Technologie“, das wichtige Inputs in Bezug auf die transformative Wirkung von (sozialer und technischer) Innovation, insbesondere – aber nicht ausschließlich – aus der Sicht der Gesellschaftswissenschaften, liefern könnte.
  4. Zur Beförderung konkreter sozialer Innovationen wiederum könnte ein „sozialer Innovationsscheck“ als niedrigschwelliges Unterstützungsinstrument in Anlehnung an die von der FFG technisch operationalisierten Innovationsschecks entwickelt werden. Der soziale Innovationsscheck sollte insbesondere nicht-technologische Innovationsunterstützung (z.B. für NGOs, Bedarfsträger wie Schulen/Krankenhäuser/Pensionistenverbände, Sozialunternehmer etc.) ermöglichen.
  5. Soziale Innovationen könnten auch zu Neuerungen innerhalb des Wissenschaftsbetriebs genutzt werden. Im Zusammenhang mit den europäischen Entwicklungen in Bezug auf „Responsible Research and Innovation“ (also einen verantwortungsvollen Umgang mit Wissenschaft, Forschung und Innovation) gibt es Ansatzpunkte wie „citizen science“ (BürgerInnenwissenschaft – also die Inklusion der Zivilgesellschaft in Forschungs- und Innovationsprozesse) sowie eine nicht-akademisch verstandene „science education“, die sich bemüht, wissenschaftsfernere Gruppen zu erreichen (Kinder, Schulen, ‚living labs‘/offene Technologielabors etc.). Beide Aspekte wären angesichts des in Österreich verbreiteten gesellschaftlichen Desinteresses für Wissenschaft und Forschung wichtige Interventionen, die zur Stärkung eines reflektierenden, aber grundsätzlich auch bejahenden Verständnisses für Wissenschaft und Forschung beitragen könnten. Während es in Bezug auf „science education“ bereits mehrere programmatische Ansatzpunkte gibt („sparkling science“-Programm; Kinderuniversität) ist „citizen science“ zurzeit in Österreich in der Forschungsförderung nicht berücksichtigt.
  6. Da ein Defizit in der Messung und Messbarkeit sozialer Innovation (ex-ante, interim, ex-post; Wirkungs- und Prozessmessung; Additionalitäten) feststellbar ist, sollte eine entsprechende Studie zur Operationalisierung und Messung von sozialer Innovation vergeben werden. Dies sollte am Besten in Abstimmung mit europäischen Initiativen und Projekten erfolgen (z.B. SI-DRIVE-Projekt an dem das ZSI und das AIT beteiligt sind).
  7. Eine Begleitforschung sollte sowohl die sozial- als auch die forschungs- und technologiepolitische Dimension sozialer Innovation in Österreich berücksichtigen und Empfehlungen für die Verbesserungen der Rahmenbedingungen für soziale Innovationen in Kooperation mit Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft erarbeiten, sowie Akteure in Österreich vernetzen und Anschlussmöglichkeiten für europäische Forschungsnetzwerke erleichtern.
  8. Schließlich sollten in weiterer Folge auch zukünftige Forschungs-, Technologie- und Innovationsevaluationen Elemente der Technologiefolgenabschätzung und der sozialen – nicht nur ökonomischen – Wirkungen von konkret geförderten Technologien berücksichtigen.

Die EU-Kommission sowie andere europäische Mitgliedsstaaten haben bereits konkrete Maßnahmen und Forschungsprogramme für soziale Innovation eingeführt oder in Vorbereitung. Ebenso prüft der SNF in der Schweiz derzeit die Einführung eines entsprechenden Schwerpunktprogramms. Im globalen Umfeld ist Kanada in Forschung und Praxis ein führendes Land, aber auch die USA, südamerikanische Staaten (Kolumbien, Chile, Brasilien), Australien und Neuseeland sowie einige Länder in Südostasien (Malaysia, Singapur, China, Korea) weisen rege Aktivitäten zur Entwicklung sozialer Innovationen auf. Gleiches gilt für die Vereinten Nationen bzw. UN-Organisationen und die OECD.

Zur Person Klaus Schuch
Seine Spezialgebiete umfassen die Themenfelder Innovationssystemforschung, internationale FTI-Kooperation sowie Evaluierung in den Bereichen Wissenschaft und Forschung. Klaus Schuch unterrichtet an der Universität Wien und im Lehrgang "Master of Arts in Social Innovation" (MASI), den das ZSI gemeinsam mit der Donau-Universität Krems (DUK) umsetzt. Von 2002 bis 2012 zeichnete Klaus Schuch als kaufmännischer Leiter des ZSI verantwortlich; seit 2012 ist er Geschäftsführer der österreichischen Plattform für Forschungs- und Technologiepolitikevaluierung (fteval).

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Tags: citizen science, research policy, social innovation