ZSI_Stimme/n: SI DRIVE – globales Mapping, Wissenstransfer & Praxisrelevanz
15. Dec. 2014
Das Forschungsprojekt „Social Innovation. Driving Force of Social Change“, SI DRIVE, wurde im November erstmals einer breiten internationalen Fachöffentlichkeit im Rahmen der SI LIVE Konferenz in Lissabon vorgestellt. Was machte diesen Rahmen interessant?
Die Konferenz SI LIVE diente dem Wissenstransfer zu sozialer Innovation (SI). Es ging darum, Wissen aus vorangegangenen Projekten aus dem siebenten Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Kommission (FP7) an aktuelle Projekte weiterzugeben. Ein weiteres Ziel war es, ForscherInnen und PraktikerInnen, beispielsweise Social Entrepreneurs, zusammenzubringen. Für mich ist das eine wichtige Leistung, da diese Bereiche viel zu selten systematisch aufeinander treffen und sich vernetzen können.
SI DRIVE war eines von vier Projekten, die in die Organisation der Veranstaltung involviert waren. SI DRIVE (das ZSI ist Projektpartner) ging Anfang des Jahres 2014 mit einer Laufzeit von vier Jahren an den Start. Die Konferenz SI LIVE wurde für uns zur Austauschplattform, wo wir auch Wissen abholen konnten.
Im Rahmen der SI LIVE Konferenz fand darüber hinaus auch die Jahresversammlung der European School of Social Innovation (ESSI) statt. Themen waren u.a. ein Curricula Screening von SI-Weiterbildungen und die Entwicklung eines Konzepts, in dem Co-creation den gleichen Stellenwert einnimmt wie Bildung und Forschung.
Was hat sich seit der ersten internationalen Konferenz zu sozialer Innovation „Challenge Social Innovation“ in Wien vor drei Jahren getan?
Auf jeden Fall wurden merkbare Schritte gesetzt, um im aktuellen Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 Inhalte zum Thema soziale Innovation zu verankern. Seither ist sehr viel passiert: 2011 war der Beginn einer Reihe von Konferenzen. Anlässlich der ersten globalen Konferenz zu SI, Challenge Social Innovation, in Wien wurde ESSI auf Initiative von Josef Hochgerner vom ZSI gegründet. Von Wien ging es dann 2013 nach London, zuletzt eben nach Lissabon, nächstes Jahr wird eine SI DRIVE Konferenz wieder in Wien stattfinden und 2017 eine weitere in Brüssel.
Neben der Präsenz von SI in Horizon 2020 sind auch die unterschiedlichen Teile der „Social Innovation Family“, also SI-ForscherInnen, -PraktikerInnen und -PolitikgestalterInnen stärker zusammengerückt und haben das Thema gemeinsam weitergetrieben. Die Ergebnisse aus FP7-Projekten wirken nach wie vor auch auf politischer Ebene als Hebel für die weitere Auseinandersetzung mit SI.
Es gab kürzlich eine Anfrage im Parlament, die durch die Soziale Innovation Enquete, eine Kooperationsveranstaltung des ZSI mit Ashoka, Sozialmarie, Respekt.Net und Ö1, einen wichtigen Impuls erhielt. Ist das Thema Soziale Innovation auch auf der politischen Ebene in Österreich angekommen?
Die Enquete „Wie bringt Österreich soziale Innovation in Bewegung?“ im Rahmen des Ö1 Open Innovation Forums 2014 wurde von verschiedenen Gremien aufgenommen. Dennoch sehe ich die Entwicklung in Österreich nicht allzu optimistisch. In Deutschland wurde kürzlich die Erklärung für Soziale Innovationen in Deutschland direkt an Bundeskanzlerin Angela Merkel übergeben. Das sind alles wichtige Schritte, die zwar weiter führen, aber gegenüber sprunghaft wachsenden Stress- und Konfliktpotenzialen der Gesellschaft deutlich zurück bleiben.
Die Politik ist gefordert, rasch etwas zu tun. Unser Ansatzpunkt am ZSI ist, soziale Innovation breit zu denken, also nicht nur als Variation von sozialem Unternehmertum (Social Entrepreneurship). Das ist meiner Meinung nach ein weit verbreitetes Missverständnis, denn soziale Innovationen finden nicht nur in diesem speziellen Segment der Wirtschaft, sondern vor allem in der Zivilgesellschaft, aber auch im öffentlichen Sektor und Unternehmen aller Art statt. Es gilt daher vielmehr soziale Innovation in einen Kontext zu stellen, in dem alle Innovationen als sozial relevant erkannt werden. Mir geht es darum, sich den großen gesellschaftlichen Fragen zu stellen. Ich bin nicht katholisch, aber ich kann der Rede des Papstes vor dem Europäischen Parlament etwas abgewinnen, in der er Ende November dazu aufforderte, die Menschenwürde zum Beispiel bei Flüchtlingsfragen oder bei der Armutsbekämpfung in den Brennpunkt der europäischen Politik zu stellen.
SI DRIVE wird ein umfassendes Mapping zu sozial innovativen Projekten zur Verfügung stellen, wozu?
Innovativ ist, dass SI DRIVE Formen und Dynamiken sozialer Veränderungen global erfassen wird. Das spiegelt sich auch in der organisatorischen Zusammensetzung des Projekts wider: Von 26 Partnern liegen zehn außerhalb der Grenzen Europas. Wir sehen uns nicht nur Projekte an, sondern verbinden diese auch mit Trends und Strömungen. Ein Beispiel: Car-Sharing ist in einigen Weltregionen wie in Afrika oder Asien bereits seit Jahrzehnten gelebte Realität, in Europa ist diese Form von Service erst seit einigen Jahren am Markt angekommen. Nicht immer werden die gleichen Begriffe in den unterschiedlichen Regionen und Kontinenten verwendet. In SI DRIVE versuchen wir umfassend „upcoming interesting areas“ zu erfassen und subsumieren Projekte. Das Mapping umfasst nicht nur Ergebnisse auf der Ebene der Projekte, sondern auch auf Trendebene: Soziale Innovationen sind in historische, religiöse, sozio-ökonomische und kulturelle Entwicklungen eingebettet und nehmen unterschiedliche Ausprägungen an. Das Projektergebnis wird ein Mapping mit 1000+ sozialen Innovationen aus sieben unterschiedlichen Politikfeldern sein. Von der Analyse erwarten wir uns wesentliche Erkenntnisse zur Steuerung von Faktoren für die Entstehung und Implementierung von sozialen Innovationen.
Welche Botschaft sollen Menschen aus diesem Projekt mitnehmen?
Aktiv zu sein oder zu bleiben und in Anbetracht heutiger gesellschaftlicher Herausforderungen nicht zu resignieren! Seitens der Politik wird manches getan, allzu oft aber viel zu wenig. Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft müssen bei der Entwicklung und Implementierung sozialer Innovationen enger kooperieren, was die Wissenschaft durch Analysen und methodische Beratung wesentlich unterstützen kann.
Inwieweit ist das Thema soziale Innovation und soziale Innovationsforschung für ForscherInnen attraktiv geworden?
Im aktuellen Forschungsrahmenprogramm Horizon 2020 hat das Thema einige Relevanz gewonnen und wurde in vielen Bereichen und Calls mitgedacht. Mir geht es aber im Moment weniger um die Forschungscommunity als isolierte Entität. Um auf die Konferenz SI LIVE zurückzukommen – hier wurde in einer ExpertInnen-Runde die Kritik laut, dass sich ForscherInnen nicht immer am Bedarf der Praxis orientieren. Für mich ist das ein ganz wichtiger Punkt, dass sich Forschung noch stärker mit anderen Praxisfeldern abstimmen muss, um relevante Ergebnisse zu liefern. Jeder muss versuchen, den anderen zu verstehen!
Zur Person
DI Anette Scoppetta ist seit 2001 ZSI-Vorstandsmitglied und leitet den Bereich Arbeit & Chancengleichheit (A&C). Als anerkannte Expertin referiert und berät sie zu Fragen in den Bereichen lokale Beschäftigung und Regionalentwicklung, Workplace Innovation und soziale Innovation, sektorenübergreifende Partnerschaften und Netzwerkbildung.
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Tags: social innovation