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Mitarbeiterin im Porträt: Katharina Koller

27. Jun. 2023

Katharina Koller ist seit 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZSI.

Katharina Koller ist seit Juli 2021 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich "Arbeit und Chancengleichheit" am ZSI. Sie hat einen MSc in Psychologie (Universität Amsterdam) und einen BA in Politikwissenschaft (Universität Wien). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Inklusions- und Exklusionsprozesse sowie der sozialwissenschaftlichen Umwelt- und Klimaforschung. Katharina arbeitet in ihren Projekten sowohl mit qualitativen als auch mit quantitativen Methoden.

Katharina, du bist seit 2021 am ZSI. Wie war dein Weg bis dahin und wie bist du ans ZSI gekommen?
Bevor ich ans ZSI kam habe ich Psychologie und Politikwissenschaft studiert. Im Sommer 2021 habe ich meine Masterarbeit geschrieben und mich nach beruflichen Perspektiven in der anwendungsorientierten Forschung umgesehen.
Ich wollte wissenschaftliche Fragen nicht allein aus der akademischen Theorie ableiten oder im Elfenbeinturm forschen. Mich interessieren vor allem Fragen aus der Lebenspraxis, Fragen, die einen konkreten Realitätsbezug und Relevanz für Menschen haben. In der Sozialpsychologie, in der ich mich spezialisiert habe, habe ich diesen anwendungsbezogenen Aspekt etwas vermisst.Es war zu dieser Zeit dann auch direkt eine Stelle am ZSI ausgeschrieben, für mich genau der richtige Zeitpunkt. Für mich war es nach dem Studium wichtig, eine gewisse Kontinuität zu haben und in Wien zu bleiben. Das hat für mich gegen eine akademische Karriere an der Universität gesprochen, da hier ja oft lange Zeit in prekären Vertragssituationen gearbeitet wird und Umzüge, Wohnortwechsel häufiger notwendig sind. Am ZSI kann ich anwendungsbezogene Fragestellungen bearbeiten und längerfristig planen.

Weshalb hast du Psychologie als Studienfach gewählt und mit welchen Fragen hast du dich befasst?
Psychologie habe ich eigentlich zunächst mit dem Ziel begonnen, einmal in die therapeutische Arbeit zu gehen. Aber aufgrund eines Praktikums war mir relativ schnell klar, dass das für mich als Berufsfeld nicht das Richtige ist. Mein Interesse für die quantitative Forschung ist dann während des Studiums entstanden. Ich habe mich dabei mit Sozialpsychologie beschäftigt und auf Umweltpsychologie spezialisiert. Da geht es darum, warum sich Menschen umweltfreundlich verhalten, mit Umwelt-Aktivismus befassen oder ihr Verhalten ändern, und auch, wie man das fördern kann.Ich sehe aber auch einige Probleme in der Forschungspraxis. Es werden sehr häufig Online-Samples, Studierendensamples, und Fragebögen verwendet, die auf Konzepten basieren, die vorab, in anderen Kontexten und vor langer Zeit entwickelt wurden und oft nicht mit den Personen besprochen werden, denen sie vorgelegt werden. Generell werden oft nur bestimmte Menschen beforscht, nämlich die, die man leicht erreicht. Das ist ein Problem für die Schlussfolgerungen und Theorien, die wir ableiten und für die Maßnahmen, die auf Basis dessen entwickelt werden. Methodische Fragen zu reflektieren ist für mich wichtig. Meine Masterarbeit war eine messtheoretische Arbeit, in der ich mich damit auseinandergesetzt habe, ob Fragebögen, die umweltfreundliches Verhalten abfragen, Verzerrungen aufweisen.
Es hat sich herausgestellt, dass bei der Messung nicht nur das Verhalten abgefragt wird, sondern auch die eigene Identität und soziale Erwünschtheit eine Rolle spielen. Solche Fragebögen sind also nicht wirklich geeignet, das tatsächliche Verhalten der Menschen zu erfassen und das sollte man reflektieren, wenn auf Basis solcher Ergebnisse politische Maßnahmen oder Interventionen entwickelt werden.

In welchen Projekten bist du derzeit beteiligt und was machst du da genau?
Ich arbeite derzeit im Projekt Climatubers. Da arbeiten wir mit Jugendlichen, die weder in der Schule sind, noch in einer anderen Art von Ausbildung oder Training und entsprechend nicht im Arbeitsmarkt integriert sind. Sie sind beispielsweise in Maßnahmen von NGOs, die versuchen, diese Jugendlichen zu unterstützen. Mit den Jugendlichen haben wir mehrere Workshops gemacht, in denen wir versucht haben, bei ihnen das Interesse für das Thema Klimawandel zu wecken und auf Basis ihrer Ansichten zu dem Thema eine Geschichte und ein Video zu entwickeln. Im Rahmen der gemeinsamen Arbeit wurden in fünf verschiedenen Ländern Videos produziert.
Ich arbeite zusätzlich auch an der Evaluation des Projekts. Da schaue ich mir an, ob dieser ganze Prozess der Videoproduktion einerseits dazu beigetragen hat, die sozialen, digitalen sowie kreativen Fähigkeiten der Teilnehmenden zu verbessern und zum anderen, ob das Interesse für den Klimawandel gestärkt wurde und auch eine erhöhte Bereitschaft besteht, sich zum Beispiel aktivistisch damit zu befassen.
Die Evaluation des Projekts basiert auf der Analyse von drei Informationsquellen: Die Teilnehmenden haben vor und nach den Workshops Fragebögen erhalten. Wir haben auch Fragebögen für die Organisator:innen der Workshops mit offenen und geschlossenen Fragen entwickelt, bei denen es um deren Beobachtungen der Teilnehmenden geht und um das Verbesserungspotenzial. Als dritte Informationsquelle ziehen wir Interviews mit den Organisator:innen mit einer retrospektiven Einschätzung zum Potential der Methode heran.
In einem anderen Projekt, Lost Millennials, haben wir ein Netzwerk mit verschiedenen europäischen Ländern gebildet. In diesem Projekt geht es um die so genannte „NEETs“, junge Menschen zwischen 25 und 29, die sich weder in Ausbildung noch im Arbeitsmarkt befinden. In dem Projekt untersuchen wir deren Situation, sowie Maßnahmen und Initiativen für diese Zielgruppe. Der Projektbericht mit ersten Ergebnissen dazu, wer diese Gruppe der NEETs eigentlich ist, ist nun fertig.
Es zeigt sich, dass die jungen Leute vor allem deswegen nicht erwerbstätig oder in Ausbildung sind, weil sie unbezahlt Care-Work verrichten müssen, zum Beispiel junge Mütter sind oder ältere Angehörige pflegen. Es sind auch chronisch kranke Menschen dabei, die deswegen nicht arbeiten können. Es gibt also ganz unterschiedliche individuelle Situationen. Aber auch strukturelle Kontexte sind relevant, wie zum Beispiel der Wohnort. So gibt es auf dem Land oft weniger Möglichkeiten als in Städten.
Darüber hinaus führen natürlich auch generell schwierige Arbeitsmarktsituationen, wie zum Beispiel in Griechenland oder Spanien, dazu, dass der Anteil arbeitsloser junger Menschen hier bereits seit Jahren besonders hoch ist, obwohl sie oft gut ausgebildet und auf Jobsuche sind.
Das Projekt wirft insgesamt ein anderes Licht auf eine oft stigmatisierte und diskriminierte Gruppe von Menschen, die von vielen gerne als „faul“ dargestellt wird. Diese Befunde bieten eine Grundlage für mögliche wirkungsvolle politische Maßnahmen und können helfen, die Stigmatisierung bewusst zu machen und dieser entgegenzuwirken.

Du bist ja auch Mitglied der ZSI-Ethikkommission. Kannst du diese Arbeit kurz beschreiben? Wieso ist das wichtig und wie sieht deine Tätigkeit aus?
Wir überprüfen im Vorfeld von Forschungsprojekten deren Vorhaben und Studiendesign. Insbesondere geht es um den Schutz von Daten, die erhoben werden, aber auch darum, Belastungen im Forschungsprozess zu vermeiden. Das ist besonders wichtig bei der Arbeit mit vulnerablen oder marginalisierten Gruppen.Beispielsweise bei der Arbeit mit Personen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, da müssen viele Aspekte beachtet werden. Wenn man mit diesen Personen Interviews führen möchte, ist es beispielsweise besonders wichtig, dass sie einen geschützten Ort für das Interview haben und eine geschulte Interviewer:in und beispielsweise auch eine Vertrauensperson anwesend ist. Es stellt sich auch die Frage danach, ob Interviewfragen dabei sind, die zu einer Re-Traumatisierung führen könnten, oder ob die Personen wirklich sicher sind, wenn sie sich beteiligen. Solche Aspekte gehören bei der ethischen Betrachtung von Forschungsvorhaben dazu. Es muss vorab geklärt werden, ob Schäden, Belastungen oder Nachteile durch den Forschungsprozess entstehen könnten. Dazu gehören insbesondere Datenschutzmaßnahmen – also wie werden die Daten geschützt und anonymisiert? Das ist wichtig, wenn man sich in der Forschung mit Menschen beschäftigt. Die Menschen schenken uns einen Teil ihrer Ressourcen, ihrer Zeit, ihrer Geschichte, das muss man mit Respekt behandeln. Aus der Forschung sollten Vorteile und keine Nachteile entstehen. Dazu ist Ethik in der Forschung da. Konkret überlegen wir in der Ethikkommission derzeit auch, welche Art von Trainings oder Materialen hilfreich für Forschende wären und wie wir diese anbieten können.

Du bist auch in der Open Science Bewegung aktiv – wie und mit welchem besonderen Anliegen bzw. Motivation?
Das hat in meiner Masterstudienzeit begonnen. Ich habe mich zwei Jahre in einer Initiative von Studierenden - der Student Initiative for Open Science - engagiert. Wir haben zum Beispiel Veranstaltungen, Workshops und Vorträge organisiert.Ausschlaggebend für mein Engagement war für mich die Erkenntnis, dass Forschung nicht einfach Forschung ist, sondern dass da verschiedenen Systeme dahinterstehen, die teils verhindern, dass Forschung transparent gemacht wird.
Die Psychologie hatte vor etwa zehn Jahren eine so genannte Krise der Reproduzierbarkeit. Eine Vielzahl an Studien war nicht replizierbar. Dadurch wurden viele veröffentlichte Studien und ihre Ergebnisse in Frage gestellt. Und natürlich wurde auch hinterfragt, warum das so passiert ist?
Da gibt es viele Gründe. Aber ein Grund ist ganz klar das Publikationssystem. Forschende sind einem starken Druck ausgesetzt zu publizieren: möglichst viel und möglichst schnell. Das steht größeren, langfristigen Forschungsvorhaben im Weg und es passieren Fehler. Die Publikationsorgane andererseits wollen möglichst neue und innovative Ergebnisse. Dabei hat sich eine Forschungspraxis entwickelt, in der Wissenschaftler:innen Entscheidungen im Forschungsprozess treffen - bewusst oder unbewusst - die zu Ergebnissen führen, die eigentlich so durch ihre Daten nicht belegt werden, nur um für die Publikationen interessant zu sein. So wird durch eine bestimmte Veröffentlichungspraxis im Prinzip schlechte Wissenschaft gefördert. Bei Open Science geht es darum, diese Praxis aufzubrechen und Wissenschaft durch Transparenz besser zu machen. Das betrifft die Transparenz von Daten und die Offenlegung von Entscheidungen im Forschungsprozess. Ein Beispiel dafür ist die Praxis, den genauen Studien- und Analyseplan im Vorhinein zu veröffentlichen, damit potenzielle Abweichungen davon sichtbar gemacht und diskutiert werden können. Genauso gehört dazu, Wissenschaft für die Öffentlichkeit verfügbar zu machen, denn Wissenschaft gehört der Allgemeinheit und sollte daher auch für alle offen und frei verfügbar sein.

Was oder wozu möchtest du in Zukunft gerne noch forschen?
Ich möchte mich weiter im Klima- und Umweltbereich spezialisieren und ich möchte gerne Forschungen durchführen, die Messungen des menschlichen Verhaltens weiterentwickeln und gezielt Interventionen testen. Mich interessiert auch generell die Methodenentwicklung.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für deine spannenden Forschungsprojekte!

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