Editorial: „Prädikat wertvoll“ – Neue Impulse durch Wissenschafts-PR
24. Jun 2014
Neben medial attraktiven Sensationen gelingen in Wissenschaft und Forschung stets auch feine, in verschiedenen Abstufungen erklärungsbedürftige Vorstöße für Gesellschaft und aktuelle Herausforderungen (Denken Sie zum Beispiel an das Schlagwort Societal Challenges). Wissenschafts-PR überprüft neues Wissen auf seine Relevanz für soziale Systeme und überträgt es dann auf unterschiedlichen Wegen in die Öffentlichkeit. So ist die zielgruppenorientierte Vermittlung von Forschungsprojekten ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Zentrum für Soziale Innovation. Diese fußt auf der Haltung, Wissenschaft und Forschung endgültig aus dem viel zitierten Elfenbeinturm zu führen und Mehrwert für Bezugsgruppen (Stakeholder Value) und Öffentlichkeit (Public Value) per se zu schaffen. Das ZSI unterstützt die tägliche Arbeit von Medienpartnern über unterschiedliche Kanäle und Formate – wie beispielsweise das ZSI eJournal – und bietet Informationen zum Unternehmen und zu den aktuell über 60 Projekten des ZSI. In diesen sind spezifisch entwickelte Elemente wie Kommunikationsplattformen zur Stakeholder-Kommunikation sowie sozial innovative Ansätze richtungsweisend. Letztere verlassen enge ExpertInnenkreise und lassen gesellschaftliche Wertschöpfung durch gezielte Einbindung von und Kommunikation mit BürgerInnen wieder in Forschungs- und Transferprojekte einfließen. Daraus entsteht ein Mix aus traditionellen Instrumenten und neuen innovativen Ansätzen für die Vermittlung der Projektarbeit (Dissemenation II Exploitation) der drei ZSI-Bereiche Arbeit & Chancengleichheit, Technik & Wissen und Forschungspolitik & Entwicklung.
Soziale Kommunikation versus „Selbstdarstellung & Effekthascherei“
Der Fluss der Information findet idealtypisch folgend statt: Abhängig von einem funktionierenden Zusammenspiel von Wissenschaftskommunikation und Journalismus diffundieren Projektergebnisse und Erkenntnisse erfolgreich in das Bewusstsein von Bezugsgruppen und einer interessierten Öffentlichkeit. Gatekeeper beider Felder bringen Informationen in Umlauf und – bei Gelingen – Diskussionen über wissenschaftliche Institutionen, Wissensgebiete, ExpertInnen und ihre Bedeutung von Wissenschaft für Gesellschaft in Gang. Wissenschafts-PR, als Teilbereich von Wissenschaftskommunikation verstanden, ist am Zentrum für Soziale Innovation als Schnittstelle mehrerer „AuftraggeberInnen“ zu diversen Umwelten (Stakeholder Mapping) verankert. Zu diesen zählen Fördergeber, Partner, wissenschaftliche Communities, NutzerInnen sowie Medien, Fachpublikum und interessierte „Laien“. Sie unterstützt die Kommunikationsstrategie des Managements (Agenda Setting II Markenführung) nach innen und außen und vermittelt im „Tagesgeschäft“ Projektziele, Ergebnisse, ExpertInnenpositionen – gelegentlich auch Anekdoten aus dem Projektalltag – um ein latentes Grundrauschen durch Nachrichten für die eigene Sache zu erhalten. Es gilt am Ball zu bleiben, präsent und wiedererkennbar zu sein, gleichzeitig als verlässlicher Partner für relevante Informationen aufzutreten, ohne in Fallen der Öffentlichkeitsarbeit für Wissenschaft und Forschung zu tappen:
Aktuelle Hürden der Wissenschafts-PR sind beispielsweise ein allgemeiner Disseminierungsdruck für Projekte mit öffentlichem Auftrag („Overselling“ II „Dissemination Deadlock“), gelegentlich auch die fehlende Möglichkeit, Themen, die abseits von Mainstreams liegen, trotz Ressourcenmangel auf Sender- und Empfängerseite, weiterzutragen ("Ökonomie der Aufmerksamkeit"), dann die Entwicklung einer angemessenen Sprache, Bilder und Kampagnen (360 Grad-Berichterstattung II Crossmedia Storytelling) und der teils in der Praxis noch fehlende Habitus sowie präzise Indikatoren, Effizienz zu evaluieren (Impact II Kommunikationserfolg II Medienresonanz II Reichweite-Vernetzung-Einfluss II Buzz). Vor allem sozial innovative Ansätze in Forschungsprojekten gestalten die Arbeit für Wissensschafts-PR interessant und herausfordernd zugleich. Hiervon ausgehend werden mögliche Problemfelder und ein Perspektivenwechsel skizziert.
Auf den Punkt gebracht!
Was sich vor rund 50 Jahren noch in absehbaren Schritten entwickelte, befindet sich heute in einer Art Explosionsstadium. Die Rede ist von Wissensproduktion als Eckpfeiler der Informationsgesellschaft, die u.a. durch den Einsatz neuer Technologien und Maßnahmen der Forschungsförderungspolitik einen massiven quantitativen und qualitativen Zuwachs erfährt. In dieser Dichte mündet die Vermittlung von „News“ aus dem Forschungsfeld – so eine persönliche Beobachtung – in einer täglichen Flut, versandet jedoch in vielen Fällen in den Zubringerflüssen eines weitläufigen globalen Nachrichtenstroms. „Jeder Versuch, sich mitteilen zu wollen, kann nur mit dem Wohlwollen des anderen gelingen“, schrieb der Dramatiker Max Frisch in seinem Tagebuch Ende der 1960er Jahre als Radio, Zeitungen und erstmals Fernsehen den Medienalltag dominierten. Komplexe Forschung und wissenschaftliche Erkenntnisse hatten auch in vorangegangenen Jahrzehnten Mühe in den Wissenschaftsrubriken der Presse aufgenommen zu werden. Heute konkurrieren eine teils unüberschaubare Vielzahl von Themen und Fragestellungen über zig Kanäle um Aufmerksamkeit. Diese wird, ganz ähnlich wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen, zum knappen Gut und bedingt eine wesentliche Dynamik unserer beinahe durchgängig medialisierten Welt. Darüber hinaus rückten Wissenschaftsjournalismus und Wissenschafts-PR aufgrund von Veränderungen in Medienwelt und Nutzungsverhalten zuletzt immer näher. Durch das neue Angebot an „direkten“ Kommunikationskanälen im Online-Bereich und den personellen Abbau von Wissenschaftsredaktionen wurde eine Verschiebung in Richtung Wissenschafts-PR bemerkbar.
So gedacht sind Kommunikationsverantwortliche von Forschungs- und Transfereinrichtungen gefordert, zum richtigen Zeitpunkt und mit angemessener Intensität „HIER!“ zu rufen, um eine möglichst große Öffentlichkeit zu erreichen (Awareness). Gerade bei der Kommunikation von Innovationen ist eine „360 Grad Berichterstattung“ gefordert, um Inhalte in ihrer Ganzheit von ökonomischen, technischen und sozialen Aspekten erfahr- und diskutierbar zu machen. Dieser Anspruch scheitert jedoch vielfach an den Rahmenbedingungen für die Vermittlung von Informationen. Dabei spielt Sprache eine große Rolle: Es gilt komplexes Wissen, erklärungsbedürftige Produkte oder Positionen unterschiedlichen Zielgruppe angemessen zu vermitteln (Downstaging), ohne in einen Fach- oder Alltagsjargon abzugleiten. Gleichzeitig bieten neue Kanäle multimediale Bühnen, die mit attraktiven Texten und (Bewegt-)Bildern gefüttert werden müssen (Visual Literacy II Multimodalität).
Transparent & vertrauensbildend
Wissenschafts-PR, im Sinne des Ansatzes integrierter Kommunikation verstanden, liefert Inputs für die Zielformulierungen und den Ressourcenausblick eines Forschungs- bzw. Transferprojekts. Die gemeinsame Arbeit mit FachexpertInnen an einem adäquaten Kommunikationsmix hilft Projekte und ExpertInnenmeinungen mit zielgruppenspezifischen Botschaften in den täglichen Nachrichtenstrom zu bringen und möglichst viele TeilnehmerInnen von Öffentlichkeit zu erreichen. Neben der Erreichung des öffentlichen Auftrags zur Dissemination unterstützt eine stringent geführte Kommunikationsarbeit den Reputationsaufbau von Institutionen und ForscherInnen.
Die Konkurrenz um Aufmerksamkeit setzt sich auf weiteren Wegen und Ebenen des Wissenschaftsbetriebs – auch mit Folgen auf die Wissensproduktion – fort: Während ForscherInnen in ihren angestammten Zirkeln um die Aufmerksamkeit ihrer Peers (Scholarly communication) werben, beobachten Auftrag- und Fördergeber diesen Diskurs, um ein Bild über Reputation und Akzeptanz innerhalb der ExpertInnengemeinschaft zu gewinnen. Der hier gewonnene Eindruck (Image II Marke II Reputation) wirkt auch auf die Ressourcenbereitstellung für zukünftige Forschungsvorhaben (New Public Management II Exzellenz-Förderung II Responsible Research). Nicht nur an dieser Schnittstelle von Wissenschaft und Forschung gewinnt professionelle Vermittlungsarbeit mit der Hilfe von Wissenschafts-PR vermehrt Bedeutung.
Sozial innovative Ansätze: Dialog – Vernetzung – Partizipation
Mit neuen sozial innovativen Formaten, wie sie beispielsweise BürgerInnenwissenschaft (Citizen Science) oder Transferprojekte mit sich bringen, steigt die Herausforderung an die Kommunikationsfähigkeit von MitarbeiterInnen in Forschungsprojekten weiter: Es gilt, Foren zu schaffen, Fragen zu fördern, Begegnungen zu ermöglichen, Kontroversen zu thematisieren, Transparenz aufzubauen und in manchen Fällen Veränderungen zu moderieren. Die Wissenschaft selbst sucht nach neuen Möglichkeitsräumen, um ihre Inhalte und Methoden im direkten Dialog mit der Öffentlichkeit zu gestalten oder neu zu entwickeln. Dazu bietet das Web 2.0 und eine veränderte Mediennutzung neue Zugänge und neue Herausforderungen. Gerade für bildungsfernere Schichten (Hard to Reach) soll – so eine auf einschlägigen Fachkongressen geäußerte Vermutung – Web 2.0 neue Zugänge schaffen, um sie an Wissenschaft heranzuführen. Andererseits erhalten NutzerInnen zunehmend nur noch Informationen, die sich an ihren Interessen und Spuren im Netz orientieren (Targeted Advertising II Microtargeting).
Grenzen der schönen neuen Welt mit Social Media
Social Media wandelte in den vergangenen zehn Jahren die Aufgabenstellungen in Forschungsprojekten beträchtlich. Stakeholder und interessierte Öffentlichkeiten wollen nicht mehr nur mit Newslettern oder durch Print-Medien informiert werden. Ein Beispiel: Nach offiziellen Zahlen des Unternehmens Facebook aus dem Jahr 2012 ist mittlerweile jeder siebente Mensch auf der Plattform aktiv, in Europa sind es über 190 Millionen, Tendenz steigend. Viele Forschungsprojekte tragen diesem Trend Rechnung und bieten neue Kontaktmöglichkeiten über Social-Media-Plattformen, dies allerdings mit wechselndem Erfolg. Facebook und Co. verheißen schnelle und direkte Kommunikation und eine Möglichkeit zur Interaktion. Solche Erwartungen an eine schöne neue Medienwelt bilden die Realität nur eingeschränkt ab und der Disseminierungsdruck sowie Probleme durch einen fehlend adäquaten Umgang mit den neuen Kanälen verdichten sich. Der quantitativ ablesbare Erfolg (Viralität II Blogger Relations II Seeding II Influencer I Memes) von Wissenschaftskommunikation oder Wissenschafts-PR bleibt aus.
Während die Akzeptanz gegenüber kommerziellen Leistungen von klassischen Medien eher vorhanden ist, steht man Social-Media-Angeboten mit ihren teils kostenpflichtigen Services tendenziell misstrauisch gegenüber. Ein Ursprung dieser Annahme ist, dass das Internet häufig mit Themen wie Demokratisierung, Teilhabe und Empowerment in Verbindung gebracht wird. Tatsächlich stehen hinter den bekannten Plattformen gut funktionierende Business Pläne, die eine Monetarisierung von Leistungen vorsehen. Gleichzeitig erwarten öffentliche Auftraggeber und Fördergeber ein Sichtbarwerden von Projekten und ihrer Ergebnisse außerhalb bekannter Interessengruppen. Um entsprechende Erfolge zu schaffen, bedarf es rechtzeitig einer Festlegung der Kommunikationspolitik als Teil des Forschungskonzepts. Erst auf dieser Basis werden klare Kommunikationsziele, eine detaillierte Beschäftigung mit Zielgruppen, konkrete Maßnahmenpläne und eine realistische Ressourcenplanung möglich.
Botschaft gesendet – Zielgruppen erreicht?
Mehr als 2000 AbonnentInnen folgen dem monatlichen ZSI eJournal, auf Facebook sind es über 1600 Fans, die Präsentation auf Twitter überschritt nach kurzer Zeit 120 Follower aus ganz Europa, auf Vimeo stehen aktuell 20 Videos, darunter die Reihe „Facets of Social Innovation“, zur Verfügung. Unsere ZSI-Webseite hatte im Jahr 2013 über 1,6 Millionen Zugriffe von über 57000 unterschiedlichen BesucherInnen. Noch mehr Kommunikationskanäle werden von den aktuell über 60 Projekten des ZSI genutzt, von denen sehr viele eine eigene Web-Plattform und Social Media-Auftritte betreiben.
Nicht genug der Eigenwerbung — Anhand aktueller News in diesem eJournal darf ich Ihnen weitere Erfolgsdaten zu unserer Vermittlungsarbeit liefern. Kürzlich wurden die Verkäufe des Bandes „Challenge Social Innovation“, erschienen bei Springer, im obersten Viertel der Verkaufszahlen des Verlags gelistet. Das ZSI-Projekt FORSEE „zeigte Wirkung“ und wurde unter die sechs Impactstärksten im South East Europe Transnational Cooperation Programme gewählt. Als erste Anwendung steht eine Roadmap bereit (Publications).
Unter den Veranstaltungsankündigungen und bei den Schlagzeilen finden Sie weitere (Face2face-) Aktivitäten aus ZSI-Projekten: Dies sind u.a. eine Summer School in Kiew und eine Ausstellungsbeteiligung beim Forum of the EU Strategy for the Danube Region in Wien, jeweils werbend mit Postern, Blöcken, Flyern und vielem mehr (Visibility activities). Zwei aktuelle Presseinformationen erinnern an ZSI-Projekte mit Partizipationsmöglichkeit (Media based activities). Mit dem kürzlich verliehenen Pro-Ethik-Siegel des österreichischen Werberats möchte das Zentrum für Soziale Innovation seine durch Verantwortung geprägte Haltung gegenüber Medien und Öffentlichkeit herausstreichen.
Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre des ZSI eJournals im Juni, über Ihre Rückmeldungen und Anregungen freue ich mich: presse@zsi.at
Über Pamela Bartar
Die Kommunikationswissenschafterin arbeitet seit 2009 am ZSI. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind u.a. Wissensschafts-PR, Wissenschaftskommunikation, Corporate Publishing, Web 2.0, weiters die Themen Interkulturalität, Auslandskultur, Transmedia, Corporate Speaking und Rhetorik.
Zum Weiterlesen: Literaturhinweise
- Karl. H. Delhees: Soziale Kommunikation. Psychologische Grundlagen für das Miteinander in der modernen Gesellschaft. Opladen, 1994
- Max Frisch: Tagebuch 1966-1971. Frankfurt am Main,1972,
- Christopj Kaletka, Karoline Eva Kappler, Bastian Pelka, Richard Ruiz de Querol. Challenges at the Intersection of Social Media and Social Innovation: A Manifesto. In: Challenge Social Innovation. Potentials for Business, Social Entrepreneurship, Welfare and Civil Society. Heidelberg, New York, Dordrecht, London, 2011
- Armin Skierlo: Unternehmenskommunikation im Wandel. Der Einfluss von Social Media auf das moderne Kommunikationsmanagement im Unternehmen. Hamburg, 2013
- Ansgar Zerfass, Simone Huck: Innovationskommunikation. Neue Produkte, Ideen und Technologien erfolgreich positionieren. Wiesbaden,2007
- http://www.inovations.ac.uk/btg/resources/publications/dissemination.pdf
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